Naturschutzgebiet „Liether Kalkgrube“

Die Blüten der Nachtkerze öffnet sich zum Abend

Bei der Liether Kalkgrube handelt sich um einen so genannten Geotop. So werden Zeugnisse der Erdgeschichte bezeichnet (Aufschlüsse, Oberflächenformen), die Kenntnisse über die Entwicklung der Erde oder des Lebens vermitteln. Die Entdeckung der auffälligen Salzstockgesteine erfolgte bereits 1844 beim Bau der Eisenbahnlinie. Die Salzstockablagerungen der Grube Lieth wurden über viele Jahrzehnte als Rohstoffe genutzt: die Rotliegend-Tone zur Herstellung von Ziegelsteinen und die Zechstein-Kalke u.a. als Düngemittel. Der jahrzehntelange Abbau der Kalk- und Tongesteine des Erdaltertums schuf einen 30 Meter tiefen Einschnitt, der einen näheren Einblick in die Gesteine des Erdaltertums sowie die darüber lagernden Gesteine ermöglicht. Mit Ausweisung des Naturschutzgebietes „Liether Kalkgrube“ im Jahre 1991 wurde der Abbau eingestellt und dieser in seiner Art einmalige Salzstock-Aufschluss gesichert. Allerdings muss in der Grube eine aufwändige Wasserhaltung betrieben werden.

Der Salzstock Elmshorn

Der Salzstock im Untergrund Elmshorns besteht aus mehr als 230 Millionen Jahre alten Gesteinen des Erdaltertums. Diese reichen hier ungewöhnlicherweise bis an die Erdoberfläche und sind nicht – wie in den meisten Gebieten Norddeutschlands – durch eiszeitliche Ablagerungen verdeckt. Derartig alte Gesteine können sonst nur in Bergwerken Mitteldeutschlands untersucht werden. Der Salzstockbereich nimmt eine Fläche von insgesamt ca. 23 Quadratkilometer ein. Die den Salzstock im Wesentlichen aufbauenden Rotliegend-Ablagerungen sind im Bereich Elmshorn nach geophysikalischen Untersuchungen aus einer Tiefe von über 8 Kilometer aufgedrungen. Die Basis des Zechsteins liegt im Bereich der Salzstruktur bis über 6.000 Meter unter der Erdoberfläche.

Eis- und Kaltzeiten

Im nördlichen Teil der Liether Kalkgrube ist eine Abfolge von Braunkohlen, Sanden und Mudden (fossile See-Ablagerungen) aufgeschlossen. Sie repräsentiert die erste Phase des Eiszeitalters (Quartär). Trotz der damals zeitweise stark abgesenkten Temperaturen und subarktischer Vegetation fehlen Vereisungsspuren in dieser Phase. Im westlichen Teil der Liether Kalkgrube sind intensiv rot gefärbte Ablagerungen einer sehr alten Vergletscherung (sogenannter Esing-Geschiebemergel, mehr als 400.000 Jahre vor Heute) anzutreffen. Während der letzten Vereisung (Weichsel-Kaltzeit) waren die Gletscher nur bis etwa zur Linie Segeberg – Kayhude – Rahlstedt vorgerückt. Das Gebiet um Elmshorn lag im vorgelagerten vegetationsarmen und weitgehend baumfreien periglaziären Bereich. Dadurch konnten Wind und Wasser den Boden ungehindert bearbeiten und verlagern. Der Frost verknetete den Boden zum einen „wie mit einem Mixer“, zum anderen wurde er durch die extreme Kälte auch regelrecht aufgerissen. Vom Sand geschliffene Windkanter, Flug- und Dünensande sowie Frostmusterböden und „Frostkeile“ sind Ausdruck dieser Prozesse.

Gesteine des Salzstockgebirges

Die Rotliegend-Ablagerungen des Salzstockgebirges entstanden in Äquatornähe im Zentrum eines riesigen Beckens, das zu dieser Zeit große Teile des heutigen Mitteleuropas einnahm. Die auch als „Roter Lehm“ bekannten Ablagerungen bestehen aus roten bis rotbraunen schluffigen Feinsanden. Eine fiskalische Tiefbohrung, die bis in eine Tiefe von ca. 1.340 Meter Tiefe niedergebracht wurde, war seinerzeit die tiefste der Welt! Obwohl die erhofften Steinkohlevorräte nicht angetroffen wurden, lieferte die Bohrung dennoch richtungsweisende Erkenntnisse zum Temperaturanstieg in der Erdkruste („geothermische Tiefenstufe“) und der regionalen geologischen Verhältnisse. Neben Feinsanden und Sandsteinen wurden auch reine Steinsalze erbohrt. Zu den Zechsteinablagerungen der Kalkgrube zählt u. a. das nördlichste Oberflächen-Vorkommen des Kupferschiefers. Dieses erzhaltige Gestein wird in anderen Bereichen Europas wirtschaftlich genutzt. Der aufgeschlossene Gipshut im Zentrum der Grube ist eine weitere Seltenheit. Er repräsentiert die unlöslichen Gesteine an der Erdoberfläche der Salzstruktur.

Lebensraum Liether Kalkgrube

Die geologische Einmaligkeit der Liether Kalkgrube spiegelt sich auch in der biologischen Vielfalt wider. Trockene bis wechselfeuchte Rohböden, sonnige Steilhänge, Schotterflächen, Quellsümpfe, Kalk-Riesel- und Kalkquellhänge und auch Wasserflächen sind Grundlage für einen außergewöhnlich kleinräumigen Wechsel von Lebensräumen, wie er sonst in Schleswig-Holstein kaum anzutreffen ist. Die extremen Standortverhältnisse haben zur Ansiedlung einer hochspezialisierten Tier- und Pflanzenwelt geführt. Spezialisten haben über 110 Pflanzenarten festgestellt, von denen viele in Schleswig-Holstein selten und in ihrem Bestand gefährdet sind. Auch zahlreiche Tierarten, darunter sechs Rote-Liste-Arten wie Kreuz- und Knoblauchkröte, aber auch seltene Sandwespen und Heuschrecken sowie Tag- und Nachtfalter profitieren von diesem durch den Menschen geschaffenen und erhaltenen Biotop.

Überleben durch Anpassung

Um ihr Überleben auch auf Extremstandorten zu sichern, haben Pflanzenarten im Laufe der Evolution besondere Anpassungsstrategien entwickelt. Aufgrund ihrer Spezialisierung können sie auch die ungünstigeren, durch zeitweilige Trockenheit, Nährstoffarmut oder besonderen Kalkreichtum geprägten Standorte in der Liether Kalkgrube besiedeln. Die Abhängigkeiten zwischen Gestalt und Wuchs einzelner Pflanzenarten und ihrer Verbreitung können in der Liether Kalkgrube auf engstem Raum beobachtet werden. So treten auf den im Sommer austrocknenden Böden Pflanzen auf, die sich durch eine dichte Behaarung der Blätter und Stängel vor zu starker Sonneneinstrahlung und damit Austrocknung schützen. Andere Pflanzenarten verfügen über ein tief und weit verzweigtes Wurzelnetz, um an das lebensnotwendige Wasser und die Nährstoffe zu gelangen.

Überleben durch Pflege

Nach Wegfall der Abbautätigkeit haben sich im ruhenden Oberboden Humus gebildet und Nährstoffe angereichert. Dadurch können sich hochwüchsige, konkurrenzkräftige Arten wie Landreitgras, Birken oder Weiden ausbreiten, die mit ihrer Schattenwirkung die Wärme liebenden und lichtbedürftigen Hungerkünstler der Rohböden verdrängen. Dieser Prozess kann nur durch regelmäßigen Gehölzrückschnitt sowie Schaffung offener Pionierstandorte aufgehalten werden.